Essen messen mit der Crowd

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Das Start-up Premise sammelt per App von seinen Nutzern in Entwicklungsländern Nahrungsmittelpreise. So entstehen schnell präzise Lagebilder von ganzen Volkswirtschaften.

„Mach Fotos und werde dafür bezahlt!“ Wer so eine Anzeige auf Facebook sieht, der vermutet dahinter wahrscheinlich kein seriöses Unternehmen. Aber 4.000 Menschen in 30 Ländern der Welt bekommen tatsächlich Geld dafür, dass sie mit ihrem Handy in den Lebensmittelladen um die Ecke gehen, Fotos von Waren machen, den Preis notieren und Bilder und Daten ins Netz hochladen. In einigen Entwicklungsländern bestreiten eifrige Sammler sogar ihren Lebensunterhalt damit.

Die Firma, die mit diesen Anzeigen Zuarbeiter anwirbt, heißt Premise und ist ein Start-up im SoMa-Distrikt von San Francisco, dem Hotspot der Branche. Die etwa 30 Mitarbeiter bekommen täglich Tausende von Fotos und Datenpunkten aus aller Welt und erstellen damit ökonomische Charts, die präziser sind als die monatlichen Berichte der Regierungen. Ob Indien, Brasilien, China oder Vietnam – Premise verfolgt die Preise für Brot, Gemüse und Coca-Cola im Tagesrhythmus, genau und ungeschönt. Aber das soll nur der Anfang sein: Mit derselben Technik lassen sich auch soziale Missstände und politische Stimmungen in Echtzeit erfassen. Die Welt wird plötzlich transparent auch in Ländern, von denen wir bisher nur sehr löchrige Informationen besaßen

 

Die Google-Universität

Zeit Online

Der frühere Google-Forschungschef Sebastian Thrun will mit Onlinekursen die Bildung revolutionieren. Anfangs stockte das Projekt des Deutschen, jetzt nimmt es Fahrt auf.

Sebastian Thrun strahlt von einem Ohr zum anderen, als er mich an der Tür der luftigen Büroetage in Mountain View, Silicon Valley, begrüßt. „Willkommen im Paradies!“ Damit spielt er wohl auf meinen Umzug in die Bay Area an. Er könnte mit dem Paradies aber auch sein eigenes Reich meinen, die Firma Udacity.

Es läuft gut für ihn im Moment, gerade hat Thrun 35 Millionen Dollar an Investorengeldern eingesammelt, unter anderem vom deutschen Medienkonzern Bertelsmann. Dafür, dass er hier die Universität neu erfinden will

Auch Gute können zu viel sein

Zeit Online

Zu teuer, zu schick: Mitarbeiter von Techfirmen wollen nicht im langweiligen Valley wohnen. Stattdessen gentrifizieren sie die quirligen Viertel von San Francisco.

Ich bin in den Castro gezogen, das schwule Szeneviertel in San Francisco. Die Zebrastreifen schillern bunt, überall Männerpärchen Hand in Hand, die öffentliche Bücherei ist nach dem Schwulenaktivisten Harvey Milk benannt und über dem Viertel weht eine riesige Regenbogenfahne.

Am Ende meiner Straße steht ein Stoppschild. Unter das stop haben Unbekannte einen Aufkleber geklebt: the tech takeover. Sinngemäß: Stoppt die Übernahme durch das Silicon Valley. Der Castro und der benachbarte Mission District sind das Haupteinfallstor für die Mitarbeiter der großen Tech-Firmen, die lieber in der Stadt wohnen als im gesichtslosen Valley, oder deren Firma – nach dem Vorbild von Twitter – ihr Hauptquartier gleich in die Stadt verlegt hat.

Gehöre ich zu diesem takeover? Bin ich Opfer oder Täter? Die Miete hier ist doppelt so hoch wie in guter Lage in Hamburg oder München, ich zahle sie nur stöhnend – aber ich zahle sie, die alteingesessenen Bewohner könnten es nicht

Die Mandeln sind schuld

Die Zeit

Kalifornien muss Wasser sparen. Aber nicht nur im Alltag.

„Möchten Sie Wasser zum Essen?“, wird man neuerdings in den Restaurants von San Francisco oder Los Angeles gefragt. Früher bekam der Gast das Leitungswasser immer kommentarlos hingestellt. Eine von vielen Maßnahmen, die Gouverneur Jerry Brown seinem kalifornischen Volk verordnet hat. In Städten und Gemeinden soll der Wasserverbrauch um 25 Prozent sinken, weil der Staat von der größten Dürre seit Menschengedenken heimgesucht wird.

Aber selbst wenn dieses Ziel erreicht würde – den Gesamtverbrauch würde das nur um wenige Prozent senken. Stattdessen, sagen Umweltschützer, sollte der ausgetrocknete Staat aufhören, Wasser in riesigen Mengen zu exportieren, zum Beispiel nach China

Alaina Percivals Geschäft ist die Emanzipation

Zeit Online

Silicon Valley, das sich so liberal und tolerant gibt, hat ein Frauenproblem. Die Managerin Alaina Percival hat sich zum Ziel gesetzt, das zu ändern.

„Galvanize“ steht auf dem Gebäude in der Tahoma Street im SoMa-Viertel in San Francisco, South of Market. Hier, im Zentrum der Startup-Szene, empfängt mich Alaina Percival. Die ist die Geschäftsführerin eines Startups im 4. Stock. Es ist ein besonderes Business: Das Geschäft von Women Who Code ist Emanzipation. Ihr geht es darum, die Zahl der Frauen in den technischen Berufen im Silicon Valley zu erhöhen.

In dem Haus können aufstrebende Tech-Gründer ihre ganze Karriere verbringen: Zuerst mieten sie einen Sitzplatz, später einen ganzen Schreibtisch und dann vielleicht ein eigenes Büro. Im Erdgeschoss gibt es Kaffee, hip aussehende junge Menschen in Sesseln oder mit Laptop am Tresen.

Silicon Valley, das sich so liberal und tolerant gibt, hat ein Frauenproblem. Auch wenn hier im Hause viele Frauen in den Start-ups arbeiten, machen sie bei den Programmierern und Software-Ingenieuren nur ein knappes Viertel aus. Wenn der Code das neue Gesetz ist, wie es Internet-Visionär Lawrence Lessig einmal gesagt hat, dann ist die überwiegende Mehrheit der neuen Gesetzgeber also männlich.

 

Maschinen sind die Denker von morgen

Zeit Online

Roboter sollen möglichst human sein? Von wegen! Künstliche Intelligenz muss vielmehr menschliche Schwächen ausgleichen. Ein Überblick über den Stand der Forschung.

Wir erleben gerade den dritten Frühling der Künstlichen Intelligenz (KI). Seit der Begriff im Jahr 1956 geprägt wurde, haben uns die Forscher schon ein paarmal versprochen, die Maschinen würden nun wirklich schlau werden. Auf den Frühling folgte aber stets der Winter. Die Versprechen erwiesen sich als haltlos, die Träume verwelkten. Nun aber sieht es wirklich so aus, als könnte das Pflänzchen der KI zu voller Blüte gelangen. Nicht in Form von täuschend menschlichen Robotern, wie sie den Film Ex Machina bevölkern. Die Maschinenintelligenz wird nicht den Menschen imitieren, sondern eine eigene Gestalt annehmen – und in vielen Bereichen wird sie uns überlegen sein

Wie jetzt? Die Gedanken schweifen lassen?

Die Zeit

Das Smartphone als Dauerunterhalter verhindert einen hochproduktiven Geisteszustand: Die Langeweile.

Endlose Ferienwochen, in denen man stundenlang herumsaß und nichts mit sich anzufangen wusste – an so etwas erinnern sich heute höchstens noch die über 30-Jährigen. Für alle Jüngeren wird Langeweile zunehmend zu einem unbekannten Geisteszustand. Schließlich trägt man doch ständig ein Handy in der Tasche – und wenn nichts los ist, zieht man es reflexhaft heraus und checkt WhatsApp, liest Facebook oder spielt Angry Birds. So wird die Langeweile abgeschafft. Das klingt erst einmal gut – aber es verhindert einen wichtigen Betriebsmodus unseres Gehirns

„Wir Menschen sind Meister der Unterschätzung“

Zeit Online

Max Tegmark provoziert gern Kollegen. Etwa damit, dass das Universum nur mathematische Eigenschaften habe. Sein neues Buch zeigt: Der Physiker ist voll radikaler Ideen.

ZEIT ONLINE: Sie behaupten in Ihrem Buch, dass wir in einem „mathematischen Universum“ leben. Was meinen Sie damit?

Max Tegmark: Die radikalste und kontroverseste Idee in meinem Buch ist, dass unser Universum eine mathematische Struktur ist und nur mathematische Eigenschaften hat. Auf den ersten Blick mag das verrückt klingen, man sieht ja keine Zahlen am Himmel, aber wenn man die Welt als Physiker betrachtet, dann besteht alles um uns herum aus Teilchen wie Quarks und Elektronen. Und was für Eigenschaften hat ein Elektron? Minus eins, ein halb, eins. Wir haben komplizierte Namen für diese Eigenschaften wie elektrische Ladung und Spin, aber letztlich sind es nur Zahlen