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Eine Welt für sich

Die Zeit

Werden die Sätze der Mathematik erfunden – oder entdecken wir sie wie unbekannte Tierarten und ferne Galaxien? Ein Essay über die Wirklichkeit der Zahlenwelt.

„Die Mathematik ist eigentlich eine Geisteswissenschaft«, sagt Kai Hauser. Für ihn geht es in dieser Wissenschaft nicht ums Rechnen oder um geometrische Strukturen. Wenn der jugendlich wirkende Forscher, der in Berlin, Berkeley und Barcelona lehrt, an einem sonnigen Tag auf einer Bank im Berliner Tiergarten ein zweistündiges Privatissimum gibt über Mengenlehre, Logik und die Unendlichkeit, dann schwirrt selbst dem gebildeten Laien bald der Kopf. Hauser geht es um Wahrheit, um das mathematische Universum. Für ihn steht fest, dass hochabstrakte Objekte wie die »nicht erreichbaren überabzählbaren Zahlen«, die größer sind als unendlich mal unendlich, keine Hirngespinste sind, sondern harte Realitäten. »Ich kann nicht beweisen, dass es das gibt«, sagt Hauser, »aber ich sehe keinen rationalen Grund, das infrage zu stellen.«

Wir schreiben das Jahr der Mathematik, in vielen Veranstaltungen (wie in der vergangenen Woche auf dem Wissenschaftssommer in Leipzig) soll das Interesse für die abstrakte Wissenschaft geweckt werden. Die Mathematiker zeigen, dass ohne ihre Kunst unsere technische Welt nicht funktionieren könnte. Praktisch ist die Mathematik ohne Zweifel – aber ist sie mehr als ein nützliches Werkzeug? Was sind das für Objekte, mit denen Mathematiker sich beschäftigen? Gibt es Primzahlen, unendliche Mengen und vierdimensionale Würfel jenseits der menschlichen Vorstellung?

Um diese Fragen drücken sich Mathematiker gern herum