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Der Gänsehaut-Effekt

Die Zeit

Warum erzeugt Musik überhaupt Gefühle? Einige Erklärungsversuche der Wissenschaft.

Musik kann in uns hineinfahren wie ein Blitz. Sie kann zu Tränen rühren, zum ausgelassenen Tanzen verführen, uns an Orte und in vergangene Zeiten zurückführen. Wie kann das sein? Sprache, die mit der Musik sehr verwandt ist, erreicht uns immer über das Bewusstsein. Doch Musik trifft uns ganz unmittelbar, ohne dass wir ihren Inhalt analysieren müssen. Wie macht Musik das, was sie macht?

Von der Beantwortung dieser Frage ist die Wissenschaft noch weit entfernt. Den Signalweg, den der Schall durchs Ohr und Innenohr nimmt, kann sie gut bis zum Hörnerv verfolgen, der die in elektrische Signale verwandelten Töne ins Gehirn weiterleitet. Dann verliert sich die Spur. Beziehungsweise taucht überall wieder auf: Es gibt kaum einen Teil des Gehirns, der an der Verarbeitung von Musik nicht beteiligt ist.

Musik ist ein globales Phänomen des Gehirns, haben Hirnforscher und Psychologen in den letzten Jahren erkannt, und das macht sie besonders interessant. Forschungszentren, die sich traditionell mit Sprache beschäftigen, etwa das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, haben Programme zum Thema Musikkognition aufgelegt, und da interessiert vor allem die emotionale Wirkung der Töne. „Musik ist die Sprache der Gefühle“, das ist nicht mehr nur ein romantisches Klischee, sondern ein wörtlich zu nehmender Forschungsansatz

„Wiedererkennen ist Wohlbefinden“

Die Zeit

Der Komponist und Sänger Udo Jürgens erklärt, wie seine Lieder funktionieren – und warum ihm selbst noch beim 100. Konzert die Tränen kommen.

DIE ZEIT: Herr Jürgens, hat Lena den Eurovision Song Contest verdient gewonnen?

Udo Jürgens: Ein Mädchen wie die hätte das Telefonbuch singen können. Ihre Ausstrahlung an diesen Tagen war einfach überwältigend, da kam es nur darauf an, wie sie gelächelt hat, wie sie rauskam, dass der Rhythmus gestimmt hat und dass sie sich so wunderbar zickig bewegt hat.

ZEIT: Sie waren sogar jünger als Lena, als Sie Ihren ersten Grand Prix gewonnen haben. Was ist aus Ihrer Sicht der Unterschied zwischen Udo damals und Lena heute?

Jürgens: Wir haben damals tollen Musikern aus Frankreich und Italien nachgeeifert. Bei meinem Lied Je t’aime war gleich der erste Akkord ein verminderter – vollkommener Schwachsinn, da muss man erst mal drauf kommen! Ich habe gedacht, ich muss gleich zeigen: Ich verstehe was von Musik. Heute kehrt man Schritt für Schritt zur Infantilität zurück. Die Lieder haben immer weniger Harmonien, Rap-Songs haben zum großen Teil nur noch eine Harmonie. Nur noch einen Groove, der wird aus der Maschine geholt, dann lege ich so einen Jazzakkord drüber, und dazu redet einer. Und ein Mädchen macht uuuuuh. Ich bin ein Anhänger des Quintenzirkels

„Eine andere Welt“

Die Zeit

Mathematiker streiten über Probleme, die jeden Computer überfordern.

DIE ZEIT: Hier in der indischen Stadt Hyderabad treffen die Mathematiker gerade zu ihrem Weltkongress zusammen. Im Vorfeld machte ein Beweis Furore , der zeigen sollte, dass P ungleich NP ist. Was bedeutet das, „P≠NP“?

Irit Dinur: P ist die Klasse der Probleme, für die wir einen effizienten Lösungsweg haben. NP ist die Klasse der Probleme, für die wir zwar keinen Weg kennen, aber deren konkrete Lösungen wir durchaus effizient überprüfen können…

ZEIT: …so wie das Problem des Handlungsreisenden, der auf kürzester Gesamtstrecke eine Anzahl von Städten besuchen soll. Es gibt bis heute keinen Rechenweg dafür…

Dinur: Genau. Aber wenn uns jemand eine Route gibt, können wir immerhin effizient überprüfen, ob diese korrekt ist.

ZEIT: Was heißt hier Effizienz?

Dinur: Die messen wir an der Rechenzeit. Es gibt ein paar harmlos aussehende Probleme, für deren Lösung man mehr Schritte braucht, als das Universum Atome hat. Ein Computer würde bis ans Ende der Zeit daran rechnen.

 ZEIT: Aber Computer werden doch jedes Jahr besser.

Dinur: Dann machen wir die Aufgabe eben komplexer, und der Fortschritt ist wieder aufgezehrt. Das ist ein prinzipielles Problem

„Ich bin ein Architekt der Emotionen“

Zeit Online

Filmmusik-Komponisten brauchen Verstand und Gefühl. Andreas Weidinger erklärt seine Arbeit und warum es großen Spaß macht, kitschige Fernsehschmonzetten zu vertonen.

ZEIT ONLINE: Herr Weidinger, müssen Sie einen Film gut finden, den Sie vertonen?

Andreas Weidinger: Man kann es vielleicht so sagen: Ich bin als Komponist zusammen mit ein paar anderen so etwas wie der Architekt der Emotionen, und in dieser Hinsicht gibt es eine klare handwerkliche Seite. Ich bin Auftragskomponist. Ich habe einen Auftrag zu erfüllen, den mir der Film gibt, ich habe aber auch einen Auftrag zu erfüllen, den mir mein Auftraggeber gibt, und der ist oft durch Marktforschung oder Quotendiskussionen bestimmt. Da muss man sich keine Illusionen machen.

ZEIT ONLINE: Sie vertonen vorwiegend die – mit Verlaub – kitschigen Melodramen, die sonntagsabends im ZDF laufen.

Weidinger: Ich mache auch sehr viele andere Filme, aber im vergangenen Jahr habe ich einige dieser Produktionen gemacht, das stimmt. Ich muss gestehen, dass mir das auch viel Spaß macht, weil da die Stärken, die Musik in einen Film einbringen kann, wirklich genutzt werden

Rechnen mit Boxhandschuhen

 Zeit Online

Der Informatiker Daniel Spielman erhält den Rolf-Nevanlinna-Preis, weil er einen Algorithmus so glättete, dass er universal einsetzbar ist. Christoph Drösser hat den Preisträger auf der Mathematikerkonferenz in Hyderabad getroffen.

Am schlimmsten war es für Dan Spielman , seinem engsten Kollegen Shang-Hua Teng nichts erzählen zu dürfen. Die Träger der Preise , die auf der Internationalen Mathematiker-Konferenz (ICM) verliehen werden, bekommen den beglückenden Anruf einige Monate im Voraus, damit sie auch rechtzeitig ihre Reise organisieren können.

Allerdings wird ihnen ein strenges Schweigegelübde abverlangt: Ihrer Frau dürfen sie es erzählen (weibliche Preisträger gab es bisher nicht), aber nicht ihren Kollegen. Der Kollege Teng hätte die Nachricht wohl ohnehin mit gemischten Gefühlen aufgenommen: Die meisten wissenschaftlichen Arbeiten haben er und Spielman zusammen veröffentlicht, aber Teng geht leer aus. Er ist 46 Jahre alt, und für den Nevanlinna-Preis gilt ebenso wie für die Fields-Medaillen eine strikte Altersgrenze von 40 Jahren

 

Der Mathematiker mit der Spinnenbrosche

Zeit Online

Mit 35 wurde er Direktor des Pariser Poincaré-Instituts. Jetzt gewann Cédric Villani die Fields-Medaille. Christoph Drösser hat den Mathematiker in Hyderabad getroffen.

Was für ein Jahr! Im Juli 2009 wurde Cédric Villani im Alter von 35 Jahren Direktor des Institut Henri Poincaré in Paris, benannt nach dem überragenden französischen Mathematiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Im Juni wurde dort der endgültige Beweis der berühmten Vermutung von Poincaré durch Grigorij Perelman gefeiert.

Villani war Gastgeber, er hatte eine Schar von Fields-Medaillen-Trägern um sich versammelt – und durfte ihnen nicht sagen, was er zu diesem Zeitpunkt bereits wusste: dass er bald zu dem illustren Kreis dazugehören würde. „Das war ein sehr seltsames Gefühl“, sagt Villani. Die Fields-Medaille, das ist das größte im Leben eines Mathematikers – und der Kitzel steigt noch dadurch, dass die Chance auf den alle vier Jahre vergebenen Preis mit 40 vorbei ist. Für Villani war es in diesem Jahr die letzte Gelegenheit

Medaillen für die besten Tüftler

Zeit Online

Sie erforschen, wie Billardkugeln rollen oder Galaxien entstehen und lösen knifflige Rätsel. Jetzt wurden die besten Mathematiker ausgezeichnet.

In diesem Jahr trifft sich die internationale Mathe-Elite in Zentralindien. Hier, im Kongresszentrum von Hyderabad, hat die indische Präsidentin Pratibha Patil am Donnerstagmorgen die Fields-Medaillen verliehen, die als „Nobelpreise der Mathematik“ gelten. Zugleich wurden drei weitere Preise an herausragende Mathematiker vergeben. Mit dem Festakt begann der Internationale Mathematikerkongress (ICM) , der noch bis zum 27. August stattfindet.

Zwar werden die Fields-Medaillen gern mit dem Nobelpreis verglichen, aber es gibt einige wichtige Unterschiede: Sie werden nur alle vier Jahre verliehen. Das Preisgeld ist mit 15.000 kanadischen Dollar eher bescheiden. Vor allem aber dürfen die Preisträger nicht älter als 40 Jahre sein. Es werden also relativ junge Wissenschaftler geehrt, deren bahnbrechende Entdeckungen aus den letzten Jahren stammen – während ein Forscher den Nobelpreis oft erst Jahrzehnte nach seinen wichtigsten Arbeiten bekommt.

Die Internationale Mathematische Union (IMU) entschied sich in diesem Jahr, die maximale Zahl von vier Fields-Medaillen voll auszuschöpfen

Ist ein Jahrtausendproblem der Mathematik gelöst?

Zeit Online

Klar ist nur: Ein Spinner ist er nicht. Vinay Deolalikar glaubt eines der Millenniumsprobleme der Mathematik gelöst zu haben. Experten weltweit prüfen nun seinen Beweis.

Mathematiker sind Gefühlsmenschen. Auch zu Fragen, die noch nicht wirklich entschieden sind, haben die meisten eine Meinung, so ganz aus dem Bauch heraus. Im Jahr 2002 äußerten in einer Umfrage 61 von 100 Mathematikern die feste Überzeugung, dass P und NP verschieden sind. Aber Meinungen zählen in der Mathematik nicht – sie ist eine äußerst undemokratische Wissenschaft. Wenn ein einzelner mit strenger Logik daherkommt und eine Aussage hieb- und stichfest beweist oder widerlegt, dann ist es vorbei mit dem Bauchgefühl.

Nun jedoch könnte das Bauchgefühl der Mehrheit von dem indischstämmigen Mathematiker Vinay Deolalikar bestätigt werden. Und Deolalikar noch dazu reich machen: Die amerikanische Clay Foundation 
zählt nämlich P=NP zu den „Millenniumsproblemen“  der Mathematik, deren Lösung jeweils mit einer Million Dollar dotiert ist