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Außer Kontrolle

Die Zeit

Was wir im Internet sehen? Das bestimmen Maschinen. Wie Zauberlehrlinge haben die Internetkonzerne eine Macht entfesselt, die sie nicht bändigen können.

An einem Tag im November hatte James Bridle die Nase voll. Der Künstler, der sich in seinen Werken viel mit der digitalen Welt beschäftigt, wollte eigentlich an seinem Buch arbeiten, das in diesem Jahr unter dem Titel New Dark Age erscheinen soll. Stattdessen schrieb er sich seinen Frust in einem Artikel von der Seele und stellte den Text auf die Website Medium. „Etwas stimmt nicht mit dem Internet“ lautete der Titel. Zwei Millionen Menschen haben den Beitrag bislang gelesen.

Bridle steht nicht im Verdacht, ein Technikfeind zu sein. Seit seinem 13. Lebensjahr nutzt der heute 30-Jährige das Internet; im Selbststudium hat er sich die Techniken beigebracht, mit denen selbstfahrende Autos funktionieren. Sein Zorn richtete sich auch nicht primär gegen mangelnden Datenschutz oder nervige Online-Werbung. James Bridle, selbst kinderlos, sorgte sich um die Kinder.

In den Recherchen für sein Buch war er tief in eine Welt eingedrungen, die den meisten Erwachsenen unbekannt ist – selbst denen, die ihren Sprösslingen im Restaurant ein iPad in die Hand drücken, um Ruhe zu haben. Bridle entdeckte auf YouTube und im dazugehörigen Kinderkanal YouTube Kids Videos, die er erst skurril fand, dann aber regelrecht gefährlich. Es handelte sich nicht um ein Nischenphänomen, sondern um Filmclips, die millionen-, teilweise milliardenfach abgerufen worden waren