Die Geschichte von der 1,7-Millionen-Dollar-Toilette

Riffreporter

Wie teuer darf ein öffentliches Toilettenhäuschen sein? In San Francisco sorgte ein Bauprojekt für Schlagzeilen. Am Ende wurde das Klo billiger – aber die Bürokratie wuchert weiter.)

„Noe Valley, Applaus für unsere Nicht-1,7-Millionen-Dollar Toilette!“, rief Leslie Crawford, die zur Organisation der lokalen Händler gehört, und die Umstehenden jubelten.

Noe Valley ist ein gutsituierter Stadtteil von San Francisco mit hübschen viktorianischen Häusern, Bioläden und einem kleinen Platz, auf dem jede Woche ein Markt stattfindet. Dort steht auch das rote Toilettenhäuschen, das im April seinen Betrieb aufnahm.

Das Klo hatte landesweit Schlagzeilen gemacht – nicht nur wegen der langen Planungszeit von drei Jahren, sondern auch wegen seines Preises, den der San Francisco Chronicle 2022 aufdeckte: 1,7 Millionen Dollar (knapp 1,6 Millionen Euro) sollte das Örtchen kosten. Wahnsinn, dachten die Bürgerinnen und Bürger – und auch der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom. Der zog erst einmal die Finanzierung des Staates zurück, der Plan wurde überarbeitet. Am Ende kostete die Toilette die Stadt nur noch etwa 200.000 Dollar. Ende gut, alles gut? Ein Beweis dafür, dass Medien und engagierte Bürger die Verrücktheiten des Verwaltungsstaats erfolgreich korrigieren können?

Nicht so schnell. Denn auch 200.000 Dollar sind noch eine ganze Stange Geld, wenn man bedenkt, dass die Toilette nun ein Fertigbau ist, den die Stadt von einer Firma aus Nevada geschenkt bekam, und dass alle Leitungen bereits vorhanden waren. Die Stadt musste das Häuschen lediglich an Strom, Wasser und Kanalisation anschließen. Vor allem aber: Das ursprüngliche Projekt war kein extremer Einzelfall. Das Klo von Noe Valley mag nun preiswerter geworden sein, aber an anderen Stellen in San Francisco und im ganzen Land kosten öffentliche Bauprojekte weiterhin astronomische Summen.

Weltreporter Christoph Drösser vor Toilettenhäuschen
Weltreporter Christoph Drösser vor dem endlich fertiggestellten Toilettenhäuschen in San Francisco

Der New-York-Times-Kolumnist Ezra Klein verfolgte die Entstehungsgeschichte des Projekts zurück und listete akribisch den komplizierten, langwierigen und kostspieligen Prozess auf, der jedes Mal ins Rollen kommt, wenn die Stadt San Francisco ein Gebäude errichten will – und sei es ein so unscheinbares Häuschen. Jeder Entwurf wird zunächst einmal breit diskutiert, alle community engagement stakeholders, also vor allem engagierte Bürgervereine, können ihre Meinung zu Protokoll geben. Steht das Design, müssen viele Institutionen in der Stadtverwaltung ihre Zustimmung geben: die Abteilung für öffentliche Arbeiten, die Abteilung für Bauaufsicht, die Kommission für Kunst am Bau, die Kommission für öffentliche Dienste, das Büro der Bürgermeisterin für Behindertenangelegenheiten, der lokale Stromversorger. Ein weiteres halbes Jahr vergeht für das Einholen von Angeboten von Baufirmen. Das wurde bei der Toilette noch erschwert dadurch, dass San Francisco Firmen aus Bundesstaaten mit restriktiver Gesetzgebung zu Abtreibung und LGBTQ-Rechten boykottierte (eine Bestimmung, die inzwischen aufgehoben ist).

Es ist auch billige Propaganda, wenn lokale und staatliche Politiker und Politikerinnen mit dem Finger auf den angeblichen Amtsschimmel zeigen, wenn ein solcher Fall an die Öffentlichkeit gelangt – sie sind es schließlich, die sich die Regelungen ausgedacht haben, unter denen die Planerinnen und Planer arbeiten. Die Bürgermeisterin London Breed hat nach zweijähriger Arbeit eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, die den Verwaltungsprozess ein wenig verschlanken sollen. So muss die Kunst-Kommission bei Projekten unter einer Million Dollar nicht mehr eingeschaltet werden. Ob diese behutsamen Beschneidungen den Verwaltungsdschungel wirklich lichten, darf bezweifelt werden.

San Francisco hat gerade ein Imageproblem. Die Stadt hat sich noch nicht wirklich von der Pandemie erholt, im Stadtzentrum stehen viele Büros leer, und die Medien im ganzen Land schreiben Horrorgeschichten über die überall sichtbare Obdachlosigkeit. Und so passte auch die Toiletten-Geschichte ins Muster – das Bild einer eigentlich reichen linken Stadtregierung, die mit den Steuermilliarden nicht umgehen kann. Dabei passieren, wie Ezra Klein herausstreicht, solche Schildbürgerstreiche im ganzen Land. New York City baut gerade fünf kleine Fertigtoiletten, die zusammen wohl über fünf Millionen Dollar kosten werden.

Und wie ist sie nun, die neue Toilette? Leuchtend rot und weithin sichtbar, innen schlicht, sauber und funktional. Mehr als 200.000 Dollar muss der Spaß eigentlich nicht kosten.