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Harvard für alle Welt

Die Zeit, 14.3.13

Das Internet revolutioniert die Bildung. Onlinekurse bieten die spannendsten Vorlesungen der berühmtesten Professoren an – weltweit und zum Nulltarif.

An den Universitäten von heute geht es zu wie vor 500 Jahren. Damals, vor der Erfindung des Buchdrucks, las ein Gelehrter aus einem der seltenen handgeschriebenen Bücher vor, und die Studenten kritzelten eifrig mit. Es gibt Fresken aus jener Zeit, die illustrieren, dass schon im Mittelalter Studenten in der letzten Reihe während der Vorlesung ihres Professors einnickten. Und auch heute kommt das gerne vor. Die Vorlesung ist nach wie vor die dominierende Lehrform, manchem Dozenten gelingt es dabei, sein jugendliches Auditorium zu fesseln und mitzureißen. Bei anderen macht sich das Gähnen breit: Das sind jene, die seit zehn Jahren die gleichen Vorträge herunterbeten und garantiert immer an denselben Stellen dieselben Scherze einbauen.

Diese Professoren bekommen jetzt Konkurrenz. Nicht durch eine ehrgeizige Neuberufung an der eigenen Hochschule, sondern durch Koryphäen aus dem Internet: Die Konkurrenz spricht nicht leibhaftig zu den Studenten, sondern über den Bildschirm. Ihr lauschen nicht nur die 200 angehenden Akademiker, die in einen Hörsaal passen, sondern 20.000 Hörer und mehr. Die Studenten sitzen auch nicht mehr in einem Hörsaal beisammen, sondern sind über die ganze Welt verteilt. In Lima und San Francisco, in Johannesburg und Moskau haben sie vor ihren Computerbildschirmen Platz genommen. Sie schauen sich das Unterrichtsvideo auch nicht alle gleichzeitig an, sondern jeder dann, wann er Lust hat. Hat er etwas nicht verstanden, spult er einfach zurück. So ist das Internet dabei, nicht nur das gesamte Kommunikationsverhalten auf dem Planeten zu revolutionieren, sondern auch die höhere Bildung

Das will ich nicht wissen

Die Zeit

Überfrachtete Lehrpläne, überforderte Kinder: Kann man das Gros des Schulstoffs streichen? Hirnforscher und Psychologen plädieren für eine nachhaltige Bildung.

Deutschlands Schüler wissen zu wenig. Firmenchefs raufen sich die Haare über Berufsanfänger, die keinen simplen Brief mehr fehlerfrei schreiben können. Universitätsprofessoren sind entsetzt über die mathematischen Bildungslücken ihrer Erstsemester.

Also müssen Schüler mehr lernen, lautet gemeinhin das Rezept. Draußen in der Welt wächst das Wissen ja auch exponentiell – da ist die Versuchung groß, immer mehr davon in die Lehrpläne hineinzustopfen oder gleich neue Schulfächer wie Informatik oder Wirtschaft einzurichten. Seit Jahrzehnten schrauben Pädagogen und Bildungsforscher, Lehrer und Ministerialbürokraten das Lernsoll beständig höher, der „Stoff“ wird „verdichtet“. In den Gymnasien trägt die von neun auf acht Jahre verkürzte Schulzeit noch dazu bei, das tägliche Lernpensum der Schüler zu erhöhen.

Sind die Schüler vielleicht zu faul? Den meisten kann man das nicht vorwerfen. Vor allem die Eltern der G-8-Schüler klagen, ihren Kindern bleibe keine Zeit mehr für Sport oder Musikunterricht außerhalb der Schule oder dafür, einfach mal nichts zu tun ( Liebe Marie, ZEIT Nr. 22/11 ).

Immer schlechtere Ergebnisse bei immer größerem Bildungsangebot, so lautet der paradoxe Befund. Wenn viel Stoff offenbar nicht zu höherer Bildung führt – wie könnte eine Alternative aussehen? Was muss man heute unbedingt wissen und können, und was kann man getrost vergessen?

Dazu:

Vergiss es! Aber was?

Deutsch, Geschichte, Biologie – für alle Fächer gilt: Nicht auf Detailwissen, auf das Verstehen kommt es an. Aber soll man nun Goethe streichen oder Schiller, Cäsar oder Adenauer, Mendel oder Darwin?

Das Angstfach

Die Zeit

Ein nationales Mathe-Institut gegen den Föderalismus-Hickhack

Über mangelnden Respekt kann sich die Mathematik eigentlich nicht beklagen. Sie gilt als wichtig, wenngleich schwierig. Und dass TV-Prominente dumm, eitel und stolz mit ihren schlechten Mathenoten kokettieren, kommt zum Glück auch immer seltener vor. Just die Mathematikleistungen in der Schule sind – so wissen Bildungsforscher – der beste Indikator für späteren Erfolg im Beruf.

Gleichzeitig ist Mathematik ein Angstfach. Die Mehrheit empfindet hohe Ehrfurcht vor ihr – mit Betonung auf „Furcht“. Schlimmer noch, die meisten nehmen nicht viel aus der Schulmathematik mit ins spätere Leben